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….oder etwa doch?! Die Frage beschäftigte mich gestern zwischen km 26 und 31 auf dem Marathon in Köln als ich von einer solchen überholt wurde. Bei km 32 habe ich dann einen Steinzeitmenschen überholt der gemeinsam mit einem Wikinger lief. Schon kurios, wie viele Menschen hier kostümiert laufen und auch einfach so verkleidet am Straßenrand stehen..

Aber von vorn: Seit 2 Jahren habe ich mir fest vorgenommen, in FFM meine Saison mit einem Marathon abzuschließen. Im 3. Jahr musste ich schon mit dieser Tradition brechen (ab wann redet man eigentlich von Tradition?!) da innerhalb der Familie runde Geburtstage anstehen. So fiel meine Wahl auf Köln – nicht weit weg vom Rhein-Main-Gebiet und somit als Tagestrip machbar. Zudem recht flach mit angesagten 40 Höhenmeter laut Veranstalter. Die Kölner gelten gemeinhin auch als Frohnatur und dieser Mix versprach bereits einiges im Voraus.

Zudem begleitet mich seit einigen Wochen Torsten (a.k.a. Trainer Herzlos) als Coach von der TRIAkademie auf dem Weg zur ersten Langdistanz in 2018. Wir haben die ersten Wochen genutzt um einander kennenzulernen und uns ein wenig auf den jeweils Anderen einzurichten. Das klappt meines Erachtens hervorragend da meine Werte bis dato gut nach oben gingen und hoffentlich auch weiter gehen. Oft treibt er mich an, mehr zu tun und bremst dann wieder ab wenn ich eigentlich mehr könnte und auch will. Es scheint alles sein System zu haben.

Zurück zum Marathon. Das Tapering in der letzten Woche stand an. Auf dem Weg nach Hause hatte ich in einem längeren Telefongespräch mit dem Coach noch die „Renntaktik“ besprochen und ihm gesagt, dass ich eigentlich mehr machen wolle als er aufgeschrieben hat. Aber er bremste mich und reduzierte die Einheiten auf kurze intensive Intervalle bzw. sehr kurze Tempodauerläufe. Zum Glück, denn am Abend als ich die Jüngste ins Bett gebracht habe (sie ist 2 Jahre alt) fuhr es mir beim Hochheben der Kleinen auf den Wickeltisch in den Rücken. Und dann saß ich da. Absagen?! Den Saisonabschluss?! Was wären die Alternativen?! Man kann doch nicht so kurz vorm Marathon und so… Die ganze Vorbereitung… Ihr kennt das sicher auch.. Am Boden zerstört mit Wärmepflaster auf dem Rücken und Durcheinander was denn jetzt die richtige Entscheidung sei. Aua! Google gab aber auch nichts her was noch kurzfristig in den zugegebenermaßen echt ziemlich weit nach vorn durchgetakteten Terminplan eines 2-fachen Papas mit Job im Vertrieb passen könnte.

Nun denn – Entscheidung gefasst: versuchen wir alles um vielleicht doch noch fit zu werden und dann sehen wir weiter. Dienstag stand das Schwimmen in der Tria-Gruppe an, was manchmal auch ausartet. Aber dort angekommen habe ich mit Freude vernommen, dass wir die ersten 45 min. Auqafitness machen und nur die letzten 45 mins. schwimmen. Bewegung soll bei Verspannung ja immer gut sein und so fühlte es sich auch an. Direkt danach dann gleich wieder Magnesium und Wärmepflaster und zeitig ins Bett. Mittwoch dann der Test – es stand ein TDL mit 15 mins. Einlaufen, 30 mins. Wettkampftempo und weiteren 15 mins Auslaufen an. Das klappte trotz der immer noch vorhandenen Rückenschmerzen gut. Erkenntnis des Tages: Sitzen ist Gift – aber Stehen und Laufen funktioniert. Das gab Mut für den weiteren Wochenverlauf. Rücken gut pflegen, die kurzen spritzigen Einheiten mitnehmen und dann wird das schon. Samstag dann der erste komplett schmerzfreie Tag. Der Plan ging auf – Ich war bereit!

Wettkampftag: Der Wecker klingelt um 4:45 Uhr. Gepackt war bereits alles und um 6 Uhr habe ich mich mit meinen Mitstreitern getroffen. Jan, der schon sehr erfahren im Marathon ist (Bestzeit 3:20) und nächstes Jahr auch den Ironman Frankfurt bestreitet und Moritz der für seinen ersten kompletten Marathon am Start steht. Die Jungs wollten im durchaus ambitionierten 5 Minuten-Tempo pro km loslaufen und dann mal schauen. Ziel so um die 3 h 30 mins. Das war mir ehrlich gesagt zu schnell da ich mit einer aktuellen PB von 3 h 50 mins und einer Zielzeit von 3 h 45 mins. sehr weit weg gesehen habe – für die Zielzeit wäre ein Schnitt von 5:19 pro km notwendig. Da schienen mir die 5 mins/km als eine komplett andere Welt. Auf dem Weg nach Köln verging die Zeit mit dem üblichen „Renn-Bla-Bla“ ziemlich schnell.

Wir hatten einen Parkplatz nahe dem Start gefunden, die komplette Orga vor Ort verlief reibungslos und wir hatten schnell die Startbeutel geholt (für die Marathonis übrigens inkl. Kölsch-Glas). Erste Fotos mit dem Dom im Hintergrund durften natürlich in Köln nicht fehlen. Dann das übliche Prozedere bis zum Start und dann war es endlich soweit. Auf dem Weg in den Startblock hatte ich die beiden Jungs verloren – aber die hatten ja eh einen anderen Plan. Also konzentrierte ich mich auf mein Rennen. Der Startschuss fiel und erstaunlicherweise spürte ich direkt von Anfang an einen Flow. Und keine Rückenprobleme. Einfach vorwärts. Es fühlte sich gut an. So konnte es weitergehen.

Bei km 4 staunte ich nicht schlecht, als die beiden Jungs vor mir auftauchten. Kurzer Sprint dahin und währenddessen stellte ich mir die Frage ob ein Sprint in der Phase jetzt wirklich so klug sei. Zu spät – hatte sie eingeholt und freute mich auf den nächsten ca. 14 km über nette Gesellschaft. Kurioserweise zeigten unsere Uhren alle einen anderen Schnitt an. Aber so ungefähr fühlte es sich wie ein  5er Tempo an. Stark – das gefiel mir. Die beiden haben dann das Tempo ein bisschen angezogen, was ich dann definitiv nicht mehr mitgehen  konnte. Ich hatte sie noch eine Weile vor mir aber dann irgendwann war ich allein. Also so allein wie man sich in Köln an einem Marathontag fühlen kann; nämlich gar nicht! 😉 Es war stimmungsmäßig einfach der Oberwahnsinn was das Publikum wie auch die Läufer geboten haben. Überall erwischte ich mich ständig mit einem Grinsen über die Sprüche auf Plakaten, Transparenten, Bettlaken und was weiß ich…

Dabei unter anderem ein kleines vielleicht 5-jähriges Mädel mit einer Pappe auf der stand: „Schneller, wir essen zeitig!“ oder einige mit dem Spruch: „Wer noch lachen kann, läuft nicht schnell genug.“ Umgarnt von einigen Hotspots mit Bands, Alleinunterhaltern, Trommel- und Sambagruppen, DJ’s, Ansagern und einer ganzen Menge lustiger Leute mehr die immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hatten. Es war einfach der Wahnsinn – dazu Sonnenschein und zwischen 15 und 19 Grad. Ein schöner Spätsommertag mit ganz viel Sport. Wobei ich doch manches Mal überlegt hatte, einfach an einem der Grills, den einige Nachbarn mit einer kleinen Musikanlage und Bierbänken vors Haus gestellt hatten anzuhalten, einfach ein Kölsch mit zu trinken und mit ihnen gemeinsam Spaß zu haben… Ich hatte so etwas bei einem Rennen tatsächlich noch nie in dem Ausmaß gesehen – einfach klasse!!

Doch wie es beim Marathon ist, kommen natürlich auch ungeplante Zwischenfälle. Angefangen hat es mit dem Herunterfallen meines Gels. Da ich die vom Veranstalter angebotenen Gels von Dextro nicht vertrage habe ich mir vor dem Rennen an meinen Gürtel 5 Powerbar Hydro gepackt – alle 8 km ein Gel. Das hat sich als sehr praktikabel für mich erwiesen und gibt mir immer lange genug Power. Dazu ab und zu ein wenig Wasser an der Verpflegungsstelle und fertig.

Wenn natürlich ein Gel „ausfällt“ wird so was schnell zur Kopfsache – und ausreichend Zeit zum Grübeln hat man auf 42,195 km. Also full stop und kurz 1 Schritt zurück aufheben und weiter. Das sollte eigentlich nicht schlimm sein – aber wie es ist in einem flow: wenn man ihn unterbricht wird es kurios und so habe ich ein paar km gebraucht um wieder reinzukommen. Aber das ging dann wieder und so lief es in full speed weiter.

Beim Halbmarathon bin ich schlussendlich in 1:47:20 h durch. Ich war kurz verwundert da meine HM-Bestzeit für einen reinen HM bei 1:45:16 h liegt und damit gar nicht soweit weg. Ein Marathon ist aber immer auch ein wenig mehr als nur 2 aufeinanderfolgende Halbmarathons. Egal – es lief ja…….bis km 33….. kurz nach dem überholten Wikinger spürte ich auf einmal ein Ziehen in der Bauchgegend. Seitenstechen. Mist! Hatte versucht etwas die Pace rauszunehmen und mit dem Arm zu wedeln um es herauszubekommen. Hat nicht geholfen. Ich musste komplett rausnehmen und gehen. Dabei habe ich zum ersten Mal gemerkt wie müde die Beine schon sind. Glücklicherweise wurde es ein wenig besser und so bin ich langsam wieder angelaufen. Nach 2 km waren wieder alles vergessen – nur der Gang wurde von Meter zu Meter schwerer. Das Ziel war aber nicht mehr weit. Noch einen 5er laufen und dann noch ein bisschen was – sollte machbar sein. Nach km 40 habe ich gemerkt, dass es evtl. sogar noch auf eine 3:39 auslaufen könnte. Das wäre mega und beflügelt dadurch habe ich die letzten beiden km noch mal ca. 15 sek./km schneller laufen können. Das was im normalen Training nicht viel klingt wird beim Marathon hinten raus natürlich zur Tortur. Egal. Es ist drin. Gas geben! Den Zielkanal im Blick sprintete ich also los und habe dann gesehen, dass es eng wird. Als Nettozeit steht damit unterm Strich 3:40:09 h.

Neun Sekunden trennten mich also nur von der sub 3:40. Das verdammte Gel und das Seitenstechen. Hätte ich nur… Ach was: Hammerzeit, neue PB – über 10 Minuten schneller als beim letzten Marathon. Engelchen und Teufelchen wechselten sich fortwährend auf meiner Schulter ab. Dann meldeten sich die Beine und ich wusste: alles gut. All out. Mehr wäre nicht drin gewesen.

Marco hat es geschafft!

Und dann kamen diese unglaublichen Glücksgefühle und der Stolz über das Geleistete. Nicht nur während der letzten Stunden sondern in den vielen Trainingskilometern und Stunden beim Athletiktraining, Radeln, Schwimmen und Co. vorher. Die Form stimmt – ich bin bereit für die neue und ultimative Herausforderung in 2018.

Der Dank für das Rennen geht natürlich an den neuen Coach (Anmerkung der Red.: Trainer Herzlos) der schon gezielt die richtigen Reize setzen konnte.

Vor allem aber geht er an meine Frau Susi die es mir ermöglicht immer wieder diese tollen Momente zu erleben in dem sie mir den Rücken freihält und selbst bei dem großen Projekt Ironman Frankfurt 2018 von Anfang an ihre Unterstützung zugesagt hat. Danke! Du bist die Beste! Ich liebe Dich!

[von Marco Krause]

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