Michael Klose vom RSG Böblingen Triathlon Team und ich (starte ja auch für die RSG) wollten es wissen: Dort wo die Tour de France Ihre epischsten Momente hatte und mit 21 Kehren die längste Serpentinenstrecke Europas in den Berg gebaut wurde, traten wir am 28. Juli zum wohl härtesten Mitteldistanz-Triathlon an.
2,2km waren zunächst im Lac du Vernay bei 16°C kaltem Wasser zu schwimmen. Allerdings ist dieses Wasser so klar, wie selten ein anderes Triathlon-Gewässer. Gespeist von Gletscher- und Gebirgswasser ist der See normalerweise fürs Aktivitäten aller Artgesperrt, da er als Stausee vom Sponsor EDF zur Stromerzeugung genutzt wird. Nach der Gewöhnung an die 16°C war das Ganze auch gut auszuhalten. Endlich mal freier Blick auf die Füße der Schwimmer vor einem, um den Wasserschatten optimal zu halten. Es lief gut und es hat mir sogar ansatzweise Spaß gemacht. Micha hingegen hatte schon beim Schwimmen mit Krämpfen zu kämpfen, was sich leider den ganzen Tag fortsetzen sollte. Nach etwas weniger als 50 Minuten waren wir wieder an Land und auf dem Weg zu unseren Fahrrädern.
Micha war etwas schneller als ich und bereits halb umgezogen. Aber eben nur halb… er hatte sich entschieden sein Top erst nach dem Schwimmen anzuziehen aber dann war es nicht mehr auffindbar. Unsere Vermutung: Michas Rad schien umgestoßen worden zu sein, mit ihm das Top. Dabei ist es wohl irgendwie unter die Räder gekommen. Was tun? Micha hatte nur seine Regenjacke, aber bei strahlendem Sonnenschein und über 20°C ? -Unmöglich! Da kommt plötzlich der Gedankenblitz von meiner Frau Ramona: Sie zieht sich schnell ihr schwarzes Trägertop aus und wirft es Micha zu. Der zieht es doppelt falsch an, aber egal, es kann weitergehen. Kurios, aber Hauptsache, das Rennen kann fortgesetzt werden. Solche Geschichten schreibt nur der Triathlon. Micha hat nach eigener Aussage noch nie so viele Blicke und Pfiffe beim Rennen auf sich gezogen.
Die ersten Kilometer liefen leicht abschüssig. Ich schaute auf meinen Wattmesser und richtete die optimale Geschwindigkeit ein und fing direkt an zu überholen. Es lief super und ich dachte: „Das wir mein Tag“. Dann passierte es… Das Rennen verlief hier bei vollem Verkehr. Wir fuhren auf einem Radweg. Der endete jedoch nun kurz vor einer Rechtkurve auf eine Brücke. Aufgrund der Situation fuhr ich den Fahrer, den ich gerade überholen wollte in die Windschattenbox und überholte etwas knapper als erlaubt. Das sah ein Wettkampfrichter und prompt hagelte es eine schwarze Karte (5 Minuten Penalty). Die anschließende Diskussion änderte natürlich auch nichts. Plötzlich bemerkte ich, dass mir die Tränen in die Augen schossen. Ich als Verfechter des Durchgreifens gegen Drafting bekam eine Zeitstrafe. In Deutschland rügt sowas keiner und von Fingerspitzengefühl hielten die französischen Wettkampfrichter nun mal gar nichts (sorry, hab lange überlegt, ob ich das öffentlich posten soll, aber da waren noch mehr kuriose Verwarnungen, die ich beobachten konnte).
Es dauerte bis zum ersten Anstieg, dem Col de la Morte/Alpe du Grand Serre bis ich wieder mental auf Kurs war. Der Anstieg war etwa 15km lang bei ca. 1000 Höhenmetern. Der Berg ließ sich sehr gut fahren, mit einem Blick auf den Wattmesser vermied ich, Körner zu verlieren, jedoch wurde ich besonders im unteren Bereich von zahlreichen Fahrern überholt. Ich wunderte mich, erinnerte mich aber daran, Geduld haben zu müssen. Und so war es auch, die meisten dieser Akteure habe ich später irgendwo mit mehr oder weniger Problemen wiedergetroffen. So kam ich auf der Alpe du Grand Serre an und war noch recht frisch. Nach kurzer Verpflegung ging es bergab bevor wir den mit 200hm recht moderaten Anstieg zum Col du Malissol bezwingen mussten. Die Beine waren nach wie vor frisch, jedoch meldete sich der untere Rücken. die Lendenmuskeln machten Probleme. Was ich aber durch Positionswechel einigermaßen in den Griff bekam. Naja, irgendwas ist immer!
Micha war stets etwa 5 Minuten hinter mir, es lief auch noch bei ihm.
Danach ging es weiter bergab, bevor der zähe Anstieg zum Col d’Ornon begann. Zäh, weil es hier gilt etwa 700hm auf 20km zu überwinden. Oft sieht man die Steigung nicht, aber sie ist da. Ein Kampf gegen den inneren Schweinehund. Den ich allerdings auch gewann und so ging es in eine lange Abfahrt nach Bourg d’Oisans. Hier wurde sich noch einmal verpflegt und der Rücken gedehnt ehe es nach Alpe d’Huez ging. Die ersten Kilometer (bis etwa La Garde) sind mit 10-12% Steigung brutal. Besonders weil der Berg komplett in der brütenden Sonne stand. An jeder Verpflegungsstation galt: absteigen, Rücken dehnen, eine Flasche Wasser in mich rein, eine Flasche Wasser über den Kopf.
Irgendwie hatte sich das Bild nun gedreht, ich überholte ununterbrochen. Meine Taktik war aufgegangen, ein Hoch dem Wattmesssystem! Was nicht heißen sollte, dass ich keine Körner gelassen hatte. Ich denke so ein 120km Ritt mit 3000hm geht an keinem Athleten spurlos vorbei.
Oben angekommen, hielt ich kurz bei meinen Supportern Ramona, Ulli und Linus an und klatschte ab. Soviel Zeit muss sein!
Nach dem Wechsel musste ich dann die 5 Minuten Zeitstrafe absitzen, was mir nochmal Zeit zum Dehnen und Entspannen gab, also nicht so wirklich schlimm.
Micha hatte einige Minuten im Anstieg verloren und kam leidend in Alpe d’Huez an, kämpfte aber bravourös weiter.
Der Lauf hatte es mit 22km, verteilt auf drei Runden mit jeweils 150 Höhenmetern nochmal in sich. Ich machte bewusste Gehpausen an den Verpflegungsstellen und einer recht steilen Stelle, konnte aber ansonsten überwiegend laufen. Dabei waren zahlreiche durchtrainierte Athleten gezwungen zu wandern. Etwa 80 von über 800 Athleten kamen nicht ins Ziel, eine hohe DNF-Quote. Anders als vor 8 Jahren, wo ich an gleicher Stelle ein DNF hatte, kam diesmal nicht der Ansatz an Zweifeln auf. Somit lief ich die 22km geduldig zu Ende, Linus durfte noch ein kleines Stückchen mitlaufen und ich erreichte nach knapp über 9h überglücklich und sehr zufrieden das Ziel.
Micha musste hart fürs Finish kämpfen, immer wieder traten bei ihm Krämpfe auf, aber etwa 40 Minuten nach mir erreichte er immer noch mit einer sehr guten Zeit das Ziel.
Nach ein paar regenerativen Stunden ließen wir es uns nicht nehmen in der Hotelbar auf diesen schönen, harten, kuriosen, emotionsgeladenen, bergigen, sonnigen Tag anzustoßen.
Fazit: Wahnsinn, was man mit etwa 7,5 h Training im Wochenschnitt erreichen kann, wenn man effizient trainiert. Auch das schlechte, von Krankheiten durchzogene Frühjahr war vergessen. Ich bin sehr stolz und glücklich über diese Leistung und hoffe, mein Coach ist es auch 😉 Mit Ulli und Micha hat es sehr viel Spaß gemacht und meine Familie ist absolut Spitze: Vielen Dank Ramona und Linus für die super Unterstützung. Sie war die Basis für meine Leistung. Zu wissen, dass Ihr auf mich wartet, hat alles Schmerzen erträglich werden lassen.
Ach ja, die Ergebnisse findet Ihr hier.
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